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CO2-Abscheidung in der Stahlindustrie – eine echte Lösung im Dekarbonisierungs-Puzzle?

Authors:

Stefan Erdmann

Chief Technology Officer

Letztes Jahr stellte das wärmste Jahr auf dem Planeten seit Beginn der Aufzeichnungen dar, gemäß einer Analyse von Wissenschaftlern des National Centers for Environmental Information (NCEI) der NOAA*. Die globale Durchschnittstemperatur im Jahr 2024 erreichte den neuen Rekord von 1,46 Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau.

 

Wenn unsere globalen Treibhausgasemissionen sich in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern, könnten wir Werte von 3 bis 5 Grad über dem vorindustriellen Durchschnitt erreichen. Für viele Wissenschaftler und mich ist klar, dass Dekarbonisierung nicht nur ein Ziel ist, sondern eine kritische Notwendigkeit. Es erfordert umfangreiche Investitionen der Unternehmen in verfügbare, modernste Technologien sowie deren Einsatz, um die Energiewende zu beschleunigen. Wir müssen schneller vorankommen als je zuvor, aber was hält uns zurück? 

Die Stahlindustrie erreichte im Jahr 2023 einen Marktwert von 928 Milliarden Dollar und produzierte fast 2 Milliarden Tonnen Stahl. Heute macht die gesamte Stahl- und Edelstahlindustrie 10% der globalen Treibhausgasemissionen aus. Bis 2050 müssen die Emissionen jedoch um 90% im Vergleich zu den Werten von 2022 gesenkt werden, um die ehrgeizigen Dekarbonisierungsziele vieler Unternehmen zu erreichen.

In den letzten Jahrzehnten hat dieser Sektor bedeutende Transformationen erlebt: Neue Akteure sind auf die globale Bühne getreten, und sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Herausforderungen haben sich zugespitzt. Gleichzeitig gibt es einen globalen Fokus auf die Entwicklung innovativer Ansätze zur Dekarbonisierung von Produktionsprozessen mit teils unterschiedlichen Dekarbonisierungs-Ansätzen in jeder Region.

Quelle: Outokumpus Whitepaper über die Zukunft des Stahls (The Future of Steel, 09/2024). 

 

Aber ist die Entnahme von Kohlenstoffemissionen neben der Reduktion ein relevanter Lösungsansatz? Oder ist es nur ein schwieriger Nebenschauplatz des Kohlenstoffmanagements? 

 

Bevor wir diese Frage beantworten, ist es wichtig den Kontext der Kohlenstoffemissionen in der Stahlindustrie zu verstehen sowie die Tatsache, dass für jede produzierte Tonne Stahl heute fast zwei Tonnen CO₂ (1,89t) freigesetzt werden. Dies macht die Stahlherstellung zu einem grundsätzlich emissionsintensiven Prozess. 

Aus der Untersuchung unserer eigenen Emissionen bei der Herstellung von Edelstahl, bei der wir trotz hoher Legierungsanteile durchschnittlich 1,52 Tonnen CO₂ pro Tonne Rohstahl (2023) emittieren, haben wir Folgendes gelernt: 

  • Wenn wir unsere direkten Scope 1 Emissionen betrachten, liegt es an uns, Emissionen zu reduzieren – und in den meisten Bereichen sind Reduktions-Lösungen bereits vorhanden. Als Edelstahl- und Ferrochromproduzent stammen mehr als 50% unserer Scope 1 Emissionen aus dem Einsatz von Kohle als Reduktionsmittel im Chromherstellungsprozess. Diese Emissionen können durch biobasierte Stoffe oder durch die Entwicklung eines CO2-freien Reduktionsprozesses eliminiert werden. Der zweite Verursacher unserer Scope 1 Emissionen ist Flüssigerdgas (LNG), das beispielsweise zum Heizen von Öfen verwendet wird. Elektrifizierung ist hier eine klar zu bevorzugende Option. 
  • Um gegen indirekte Scope 2 Emissionen vorzugehen, werden CO2-freie Energietechnologien einschließlich Solar-, Wind-, Kern- und Wasserkraft schnell aufgebaut. In vielen Ländern werden immer noch fossile Quellen zur Energieerzeugung genutzt. In Europa wurden die größten Verbesserungen im Energiesektor in jüngster Zeit im Vereinigten Königreich erzielt, das seine Emissionen zwischen 2005 und 2017 um 60% reduzieren konnte, laut einer Studie von Vieira et al**. In Deutschland hingegen haben sich die Emissionen mit einer Reduktion von 17% am wenigsten verbessert. Als Haupttreiber einer drastischen Reduktion im Vergleich zum Fertigungssektor gilt die starke Regulierung durch das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS). Die Verfügbarkeit kostenloser Emissionszertifikate endete im Energiesektor bereits in 2013. Dies führte zu einem schnelleren Übergang hin zu CO2-ärmeren Technologien zur Senkung der Emissionen bei der Energieerzeugung. Für diesen Bereich ist meiner Meinung nach keine CO2-Abscheidung erforderlich. Stattdessen müssen wir die Energienachfrage nach dekarbonisierten Produkten erhöhen und geeignete Wege finden, verfügbare Energie zu speichern.
  • Schließlich sehen wir, dass bei Scope 3 Emissionen entlang der Wertschöpfungskette CO2-Abscheidung oft erforderlich ist, da die Verfügbarkeit dekarbonisierter Rohstoffe begrenzt ist. Wenn diese nicht ausreichend verfügbar sind, müssen Maßnahmen zur CO2-Abscheidung ergriffen werden. Je früher Lösungen in der Lieferkette gefunden und umgesetzt werden, desto weniger CO2-Abscheidung wird voraussichtlich erforderlich sein. Es besteht jedoch ein dringender Bedarf, die Emissionen jetzt zu reduzieren – wir können nicht auf die perfekte Lösung warten. 

 

Wir brauchen also sowohl Technologien zur Reduktion als auch zur Entnahme von Kohlenstoff-Emissionen – aber was ist die passende Gewichtung?

Meiner Meinung nach sollte Reduktion überall dort eingesetzt werden, wo es möglich und wirtschaftlich tragfähig ist, aber eine umfassendere Dekarbonisierung und Kohlenstoffentnahme (im Sinne von „Removal“) sollte dort vorgenommen werden, wo Emissionsreduktion an ihre Grenzen stößt. Der größere Fokus sollte auf der CO2-Reduktion liegen, aber letztendlich wird die wirtschaftliche Tragfähigkeit über die Balance zwischen Reduktion und Removal entscheiden. Es könnte wirtschaftlich sinnvoll sein, CO2-Abscheidungslösungen zu nutzen, während CO2-freie Rohstoffe verwendet werden. Der Grund dafür ist der Wert von emissionsfreien Kohlenstoffmonoxid- und Kohlenstoffdioxid-Stoffströmen für die Erzeugung von Produkten, die anderen Industrien bei der Reduktion ihrer Emissionen helfen.

Zum Beispiel können hier nachhaltige Kraftstoffe oder das Geschäft mit grünen Chemikalien genannt werden. Derzeit werden viele chemische Grundstoffe durch die Nutzung fossiler Brennstoffe und anderer fossiler Rohstoffe erzeugt. Zero-Carbon Technologien, also Emissionen mit null Kohlenstoff, könnten so zu wertvollen Ressourcen werden, die den Kostenunterschied zwischen biobasierten und fossilen Rohstoffen in der gesamten Industrie ausgleichen könnten. Diese „industrielle Symbiose“ wird in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein.

 

Die kritischste Frage bleibt: Trotz der Bereitschaft zur Implementierung von Methoden zur CO2-Abscheidung, warum wird dies nicht in großem Maßstab umgesetzt?

Es gibt ungehobenes Potenzial in einer viel engeren Zusammenarbeit zwischen den Industrien und in gezielter staatlicher Unterstützung. Sequestriertes grünes Kohlendioxid wird eine Rolle in der industriellen grünen Transformation spielen. Daher ist es entscheidend, die Möglichkeiten zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu finden.

Wie können Regierungsarbeit und politische Maßnahmen eine übergreifende Sicht auf die Lieferkette und die Reduktion von Kohlenstoffemissionen unterstützen? Es gibt einige entscheidende Bereiche, die priorisiert werden sollten: 

  • Eine Regulierung, die industrielle Kooperation unterstützt und „industrielle Symbiose“ mit dem Ziel fördert, Zero-Carbon Emissionen in verschiedenen Industrien vollständig zu nutzen. 
  • Die Stärkung der Erzeugung und Verfügbarkeit grüner Energie. 
  • Die Ausweitung globaler Verfahrensweisen zur CO2-Bepreisung ist entscheidend, um die Transformation im Stahlsektor zu fördern und Anreize für die Dekarbonisierung herzustellen
  • Eine Regulierung zur Förderung grüner Investitionen und der Marktnachfrage ist erforderlich, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. 
  • Sowohl private als auch öffentliche grüne Investitionen müssen angeschoben werden, und Dekarbonisierungs-Projekte sollten als langfristige Investitionsstrategien betrachtet werden, einschließlich aller verfügbaren Technologien in grünen Investitionsvorhaben. 

Die nächste große Technologie für Outokumpu zur Reduzierung von Emissionen ist die CO2-Abscheidung. Wir erkunden aktiv sowohl Möglichkeiten zur Nutzung wie auch zur Speicherung unserer Emissionen. Und auch der künftige Einsatz unserer Biokohlenstoff- und Biokoks-Anlagen wird den Wandel von grauen zu grünen Emissionen vorantreiben. 

Ich nehme am Carbon Capture Summit in Amsterdam am 6. Februar 2025 teil, organisiert von The Economist. Ich hoffe, Sie dort zu treffen! 

 
 
 

 

 

 

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